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Handwerk bleibt stabiler Faktor in Pandemie und Flutkatastrophe

HwK-Vollversammlung: Fachkräftesicherung weiterhin ein Thema im Handwerk

Trotz schwieriger Zeiten geht der Blick im Handwerk nach vorn. Auch in der Vollversammlung der Handwerkskammer (HwK) Koblenz war die Aufbruchstimmung deutlich zu spüren. Und die Kammer wird dabei selbst massiv in die Region investieren. Vor diesem Hintergrund waren die geplanten Baumaßnahmen und natürlich auch Digitalisierung sowie Fachkräftesicherung die großen Themen im „Parlament“ des regionalen

Handwerks.

Bundesweite Gesamtwirtschaft unter Druck – Handwerk zeigt sich trotz Pandemie stabil
Zu Beginn der Sitzung, die im Zentrum für Ernährung und Gesundheit (ZEG) der Kammer unter „3G plus-Bedingungen“ stattfand, ging Präsident Krautscheid unter anderem auf die wirtschaftliche Gesamtsituation ein. Seine Sorge galt der anziehenden Inflation und die weiterhin großen Probleme bei der Materialbeschaffung. „Man lernt einige Hersteller von der Schattenseite kennen“, stellte Dachdeckermeister Krautscheid fest. So kommt es inzwischen vor, dass Lieferanten ihre Zusagen nicht halten und Bestellungen kurzfristig absagen.

 

Die Vollversammlung der HwK Koblenz konnte dank des strengen Hygienekonzepts - 2G-Regel sowie Test der Teilnehmer vor Ort - als Präsenzveranstaltung stattfinden.- Reinhard Kallenbach

Trotz der Widrigkeiten haben die meisten Handwerksbetriebe die Krise erstaunlich gut gemeistert. Mit Blick auf die aktuell unzureichende Wachstumsperspektive der deutschen Wirtschaft betonte der Handwerksunternehmer: „Das Handwerk ist weniger betroffen als die Gesamtwirtschaft“. Der Präsident verwies dabei auf den jüngsten Konjunkturbericht der HwK Koblenz. Demnach hat sich die Stimmung leicht aufgehellt. Andererseits sind viele Betriebe unverschuldet mit massiven Problemen konfrontiert. Das gilt besonders für die Gesundheitsberufe, zu denen die Friseure und Kosmetiker gehören. Aber auch andere Handwerksbranchen wie Schuhmacher und Fotografen segeln in schwierigem Fahrwasser. In vielen Betrieben des Metallhandwerks könnte die Situation ebenfalls besser sein. Der Hauptgrund für deren Probleme ist dabei der Rohstoffmangel und damit verbundene Lücken in der Lieferkette.

Trotz der aktuellen Hemmnisse sind die meisten Betriebsinhaber überraschend optimistisch. Laut Umfrage blicken 89 Prozent der befragten Betriebsinhaber zuversichtlich nach vorne, sie erwarten eine verbesserte Geschäftslage. Belege hierfür sind gesteigerte Betriebsauslastung und Umsatzentwicklung im Vergleich zur Frühjahrsumfrage. Besonders die Bauberufe zeigen sich trotz Pandemie stabil. „Meine Sorge gilt weiterhin den personenbezogenen Dienstleistungsgewerben. Sie alle sind nachhaltig von den Folgen der Pandemie betroffen“, lenkt Krautscheid den Blick auf Handwerke, die Einschränkungen stets zuerst spüren.

Folgen der Flutkatastrophe zentrales Thema der Vollversammlung

„Das Handwerk hat sich in der Pandemie resistenter gezeigt als jeder andere Wirtschaftsbereich“, bestätigte Petra Dick-Walther. Die Wirtschaftsstaatssekretärin lenkte in ihrem Grußwort den Blick aber vor allem auf die Katastrophengebiete in der Eifel und an der Ahr. „Wir sind alle zutiefst beeindruckt“, so würdigte Dick-Walther das enorme Engagement von Handwerksbetrieben aus dem gesamten Bundesgebiet, vor allem an der Ahr. Die Staatssekretärin sprach auch von „einer hohen Verantwortung, die man nur gemeinsam bewältigen kann“. Dem Handwerk bescheinigte sie, dass der praktische Ansatz der Akteure „einfach Gold wert“ ist. Ein Blick zurück: Von der Juli-Katastrophe waren allein an der Ahr rund 40.000 Menschen betroffen. Wäre es den Handwerkern bei ihren Einsätzen nicht gelungen, Strom und Wärme in die meisten Häuser zu bringen, hätte man spätestens in diesen Tagen bis zu 28.000 Menschen evakuieren müssen.

Bei der Unterstützung der betroffenen Betriebe standen auch Mitarbeiter der Kammer in vorderster Front. Sie waren, so Präsident Krautscheid, anfangs sogar mit dem Fahrrad oder Motorrad unterwegs, um direkt mit den Handwerksunternehmern und ihren Mitarbeitern Kontakt aufnehmen zu können. Aktuell geht es für die HwK-Mitarbeiter vor allem darum, die Betriebe bei der Beantragung von Aufbauhilfen zu unterstützen. Zwar gibt es die Zusage, dass 80 Prozent der entstandenen Schäden ersetzt werden, doch ist das Genehmigungsprozedere undurchsichtig. So müssen 100 Prozent Leistung nachgewiesen werden, um eben diese 80 Prozent zu erhalten, rechnet Kurt Krautscheid vor.

Die Bilanz der HwK Koblenz an der Ahr kann sich sehen lassen: Im engen Schulterschluss mit Wirtschaftsverbänden und Politik gelang es, schnelle Hilfe für die Betroffenen zu organisieren. „Kommunikation, Improvisation und Organisation waren in der Phase der Soforthilfe die Basis, um die angebotene Unterstützung zielgerecht zu vermitteln“, so Krautscheid. In 14-tägigen Jour Fix-Runden wird auf Einladung der HwK Koblenz ein permanenter Austausch zwischen Vertretern der Krisenstäbe, Regionalpolitik, Handwerksorganisationen, Hilfsagenturen, Energieversorgern, freiwilligen Helfern, dem Fachhandwerk und Experten der Kammer organisiert. Ein Ergebnis dieser schnellen und zielorientierten Hilfsmaßnahmen ist die Internetplattform www.handwerk-baut-auf.de, die Hilfsangebote und -nachfrage zusammenbringt. „Eine Erfolgsgeschichte! Aktuell bieten rund 1.400 Betriebe aus ganz Deutschland ihre Hilfe über die neue Plattform an“, so Krautscheid.

Fachkräftesicherung / Ausbildung - Corona hinterlässt Spuren
Die Folgen der Pandemie zeigen sich besonders in der Berufsbildung. Zwar ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse 2021 im Vergleich zum Vorjahr leicht auf 2960 angestiegen, „doch der Einbruch von 2019 zu 2020 ist noch lange nicht ausgebügelt. Damals sank die Zahl von 3.189 auf 2.928. Der Fachkräftemangel im Handwerk bleibt ein Dauerthema“, erklärt Krautscheid in seiner Rede. Ein starkes Signal kommt dabei ausgerechnet aus dem Ahrtal: Der Landkreis Ahrweiler verzeichnet bei den neu abgeschlossenen Lehrverträgen einen Rekord im Vergleich der letzten fünf Jahre. „Eine Botschaft, die in dieser Krise steckt: Handwerk gibt nicht auf und bietet Jugendlichen eine Chance, die sie offensichtlich auch wahrnehmen“. Aktuell verzeichnet die HwK Koblenz immer noch 1.652 offene Lehrstellen im Kammerbezirk. Eine Zahl, die zeigt: Die Fachkräftesicherung bleibt die größte Baustelle des Handwerks, wobei es durchaus Erfolge gibt.
Einen Grund zur Zuversicht bietet die Qualität der angehenden Fachkräfte. Im diesjährigen Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks schafften die 34 Teilnehmer aus dem Kammerbezirk 34 Podiumsplätze auf Landesebene. „Ein Rekordergebnis“, freute sich der Kammerpräsident.

Ausblick 2022
Krautscheid gab die ersten Eckpunkte des HwK-Jahresprogramms 2022 bekannt. Wenn es die Gesamtsituation zulässt, soll es wieder einen Neujahrsempfang geben. Außerdem ist geplant, die neue Mensa in der August-Horch-Straße im Frühjahr zu eröffnen. Im April soll die Meisterfeier stattfinden. Auch die „Nacht der Technik“, die pandemiebedingt zweimal ausfallen musste, ist wieder eingeplant. Weiter erklärte Präsident Krautscheid mit Blick auf die kommenden Baumaßnahmen: „Es werden spannende Dinge auf uns zukommen.“ Zu Beginn des neuen Jahres werden die wesentlichen Entscheidungen für die konkrete Umsetzung des „Campus Handwerk“ im Koblenzer Industriegebiet fallen. Durch den Bau ein neues Verwaltungsgebäudes mit Parkhaus bündelt die Kammer ihre Angebote zukünftig an einem Standort.